
Verein
16.06.25
Interview mit den Ehrenratsmitgliedern Dr. Andreas Peters und Björn Frese
Vor der Mitgliederversammlung des Hamburger Sport-Verein e.V. an diesem Sonnabend (21. Juni, 10 Uhr) äußern sich die beiden langjährigen Mitglieder des Ehrenrats Björn Frese und Dr. Andreas Peters.
Moin Björn, moin Andreas, am Sonnabend finden die HSV-Mitgliederversammlung (MV) und Präsidiumswahlen statt, die ihr als Ehrenrat wieder begleiten bzw. leiten werdet. Freut ihr euch schon darauf?
Andreas Peters: Auf jeden Fall! Nachdem ich von 2008 bis 2017 regelmäßig auf dem Podium gesessen habe, ist es für mich selbst jetzt wieder eine neue Herausforderung. Allerdings haben wir mit Björn und unserem Ehrenratskollegen Engelbert Wichelhausen sowie den Hauptamtlichen, die die MV akribisch vorbereiten, ein extrem erfahrenes Team.
Björn Frese: Mit fast 20 Tagesordnungspunkten, darunter den Wahlen und vielen spannenden Anträgen wie zum Beispiel der zur Gründung des Supporters Trust, haben wir ein volles, aber auch tolles Programm. Zudem versammeln wir uns ja Open-Air im Volksparkstadion und erwarten wunderbares Wetter. Was will man mehr?
Es gab allerdings auch ein paar Misstöne im Zusammenhang mit der Präsidiumswahl. Die Auswahl der Kandidierenden durch den Beirat wurde teils als intransparent oder wenig demokratisch kritisiert.
Andreas Peters: Für den Beirat kann am besten dessen Vorsitzender, Patrick Ehlers, sprechen, was er sicher auf der MV auch tun wird. Bevor jedoch Entscheidungsprozesse, die wir uns selbst mit der Satzung gegeben haben, von vereinsfremden Dritten oder teils auch einzelnen Mitgliedern öffentlich als „undemokratisch“ charakterisiert werden, sollte man zunächst eine historisch korrekte Einordnung vornehmen.
Bereits in all der Zeit vor der Ausgliederung im Jahre 2014 waren wir immer sehr stolz darauf, trotz der Teilnahme am großen Profifußballgeschäft ein besonders mitgliedergeprägter und basisdemokratischer Verein zu sein. Das war aus meiner Sicht auch eine zutreffende Einschätzung. Und das wohlgemerkt, obwohl wir „einfachen“ Mitglieder in dieser Zeit überhaupt keinen direkten Einfluss auf die Auswahl des Führungsgremiums des Vereins, den damaligen Vereinsvorstand, hatten. Die Vorstände bestimmte jahrzehntelang nach eigenem Ermessen und in einem vollständig internen Auswahlprozess der Aufsichtsrat. Unser Stimmrecht als Mitglieder konnten wir nur insoweit ausüben, als wir eben diese Aufsichtsräte auf der MV wählen durften. Dies machte das Verfahren jedoch nicht zu einem „undemokratischen“, sondern es war eben ein indirekter bzw. durch Repräsentanten vermittelter und fraglos demokratischer Prozess. Indes uferten der Umfang dieser Wahlen und die unregulierte Situation der Kandidierenden bekanntlich immer weiter aus und wurden mehrheitlich für reformbedürftig gehalten.
Eine solche Reform gab es dann auch in den Strukturen des e.V. im Zuge der Ausgliederung. Es wurde bestimmt, dass es einen Beirat gibt, der den Mitgliedern einen Vorschlag für die Wahl des ab dann „Präsidium“ genannten Führungsgremiums des Vereins machen sollte. Dabei lag die Betonung auf „einen“ Vorschlag, denn man hatte insoweit das Regelwerk des FC Bayern München e.V. übernommen, welches keine Auswahl für die Mitgliedschaft vorsah, sondern lediglich die Möglichkeit, den einzigen Wahlvorschlag des Beirats anzunehmen oder abzulehnen.
Björn Frese: Richtig. Ich erinnere mich noch, wie anlässlich der damaligen Ausgliederungsinitiative von HSV Plus vom Beirat als „neuem Machtzentrum“ innerhalb des HSV zu lesen war - er berät ja u.a. auch das Präsidium, muss den Haushaltsplan genehmigen und es bedarf seiner Zustimmung für die Bestellung von Aufsichtsräten. Für die Präsidiumswahl wünschten sich dann aber viele Mitglieder mehr Auswahl und im Nachgang gab es eine Satzungskommission, die sich u.a. mit diesem Thema befasste. Im Ergebnis haben wir dann in der Satzung vorgesehen, dass der Beirat „mehr als einen“ bzw. in der jetzigen Fassung „mehrere“ Kandidierende vorschlagen soll. Allerdings ohne, dass dies zwingend ist. Der Beirat kann ausdrücklich davon abweichen, dürfte also ebenso nur einen einzigen Kandidierenden pro Amt vorschlagen, sofern er dies begründet. Zusätzlich wurde die Idee des ersten Beiratsvorsitzenden, Eckart Westphalen, ein Anforderungsprofil für die Auswahl der Kandidierenden zu erstellen, zur Erhöhung der Transparenz in der Satzung verankert. Zusammengefasst sind wir also in den letzten elf Jahren einen Weg der stärkeren Partizipation der Mitgliedschaft gegangen, aber weder das vorherige Auswahlverfahren und schon gar nicht der aktuelle Status lassen Zweifel daran, dass sie demokratischen Prinzipien entsprechen.
Die Anforderungsprofile werden auf der Vereinswebsite veröffentlicht. Aber es kam auch die Frage auf, warum z.B. die Bewerbung von Felix Magath nicht zu seiner Nominierung für die Präsidiumswahl durch den Beirat geführt hat.
Björn Frese: Wie gesagt ist dies ein Thema, zu dem sich am besten der Beirat selbst äußern kann und wird. Allgemein gesprochen liegt es aber wohl in der Natur der Aufgabe, dass man über die Auswahl der „richtigen“ Personen stets trefflich diskutieren kann. Wer ist der richtige Trainer? Wer sollte im Tor stehen? Wer ist der ideale Sportvorstand? Wen wechselt man jetzt ein? Hierüber kann man und dürfen wir auch miteinander debattieren. Das war schon bei früheren Beiratsentscheidungen so und galt bzw. gilt sogar für Beschlüsse und Wahlentscheidungen der Mitgliederversammlung. Die Entscheidung treffen müssen aber letztlich diejenigen, denen die Aufgabe satzungsgemäß zufällt, und diese Entscheidung ist im Ergebnis auch zu akzeptieren.
Was wir nicht tun und nicht zulassen sollten, sind gegenseitige Vorwürfe, dass Entscheidungen, die dem einen oder anderen nicht gefallen, aus vermeintlich unlauteren Motiven getroffen worden seien. Das gilt für Gremienbeschlüsse ebenso wie für abweichende Einschätzungen von Mitgliedern. Insoweit trägt auch jedes Mitglied selbst Verantwortung dafür, wie wir im Verein miteinander umgehen und welches Bild von unserem HSV wir nach außen abgeben wollen. Da können wir als Ehrenrat auch mit Blick auf die MV nur an jeden einzelnen herzlich und dringend appellieren!
Andreas Peters: Letztlich ist es eine Frage dessen, was wir uns als Mitgliedschaft wünschen. Wollen wir einen Beirat, der eine Vorauswahl trifft, oder soll allein und direkt die Mitgliedschaft entscheiden? Wollen wir öffentlich diskutieren, welche Gründe gegen die Auswahl eines Bewerbers oder einer Bewerberin sprechen, oder soll dies eine Angelegenheit zwischen Beirat und Bewerbenden bleiben? Meines Erachtens sprechen aufgrund der praktischen Erfahrungen aus unserer Vereinshistorie und um zu gewährleisten, dass die Bewerbung für ein Präsidiumsamt im HSV attraktiv bleibt, die deutlich besseren Gründe für unser aktuelles Verfahren einer vorherigen, mit Diskretion zu behandelnden Selektion.
Da Kai Esselsgroth als Ehrenratsvorsitzender für das Präsidentenamt kandidiert, ist Andreas in seiner Funktion als stellvertretender Vorsitzender aktuell an diesem Auswahlverfahren selbst beteiligt gewesen. Könnt ihr dies bitte einmal aufklären?
Björn Frese: Dass Kai aufgrund des Interessenkonflikts als Bewerber natürlich nicht an dem Auswahlprozess beteiligt sein durfte, ist selbstverständlich. Die Entscheidung, Andreas an seiner Stelle daran zu beteiligen, haben wir daher getroffen, sobald Kai uns über seine Bewerbungsabsicht in Kenntnis gesetzt hatte. Der Beirat wurde entsprechend umgehend informiert, und zwar bevor überhaupt dessen Aufruf für Bewerbungen gestartet wurde und somit bevor etwaige Bewerbende irgendjemandem bekannt waren. So war gesichert, dass Kai zu keinem Zeitpunkt involviert war.
Dass ein Stellvertreter aus begründetem Anlass Aufgaben eines Vorsitzenden wahrnimmt, liegt allgemein auf der Hand und ist gelebte Praxis im HSV. Wir haben uns als „Hüter der Satzung“ gleichwohl auch unter Heranziehung unserer Vereinssatzung eingehend damit befasst. Diese sieht für den Präsidenten ebenso wie für jeden anderen Gremienvorsitzenden eine Stellvertretung vor, ohne dass für diese Personen im Einzelnen geregelt wäre, welche Aufgaben ihnen zufallen. Dies liegt offenkundig nicht daran, dass ihnen in dieser Stellvertretungsfunktion keine Aufgaben zukommen. Ebenso wenig wird man annehmen können, dass ihre Bestellung sinnfrei ist. Vielmehr ist ureigenste Aufgabe eben deren Einspringen im Bedarfsfall, sei es aus zeitlichen bzw. gesundheitlichen Gründen oder aufgrund eines Interessenkonflikts.
Dies gilt übrigens umso mehr für den Ehrenratsvorsitzenden. Denn er wird – anders als die Vorsitzenden anderer Vereinsorgane – nicht direkt in diese Funktion gewählt, sondern von den gleichberechtigten Mitgliedern des Ehrenrats nach freiem Ermessen selbst bestimmt. Ein aus der Wahl der Mitgliedschaft folgendes besonderes Vertrauen in die Person des Ehrenratsvorsitzenden ist also nicht gegeben, das es rechtfertigen würde, die Wahrnehmung von Aufgaben als höchstpersönliches Recht ausschließlich einer ganz bestimmten Person zuzuordnen. Denn der Ehrenrat ist frei, jederzeit einen anderen Vorsitzenden zu bestimmen. Klarstellen möchte ich außerdem, dass Andreas nicht den Platz im Beirat eingenommen, sondern lediglich diejenigen Aufgaben übernommen hat, die der Ehrenratsvorsitzende aufgrund seines Interessenkonflikts nicht wahrnehmen wollte und durfte.
Andreas Peters: Ergänzend noch ein letzter juristischer Hinweis an dieser Stelle: Selbst wenn man – entgegen unserer begründeten Überzeugung – mal annehmen würde, dass nur der Ehrenratsvorsitzende persönlich Aufgaben im Beirat wahrnehmen und seine Stellvertreter ihn nicht vertreten dürften, würde aus der vermeintlich fehlerhaften Beteiligung eines Stellvertreters am Auswahlprozess ja noch keine automatisch abweichende Entscheidung des Beirats folgen.
Vielen Dank euch beiden, dann sehen wir uns Sonnabend auf einer hoffentlich wieder gut besuchten Mitgliederversammlung!
Dr. Andreas Peters (links auf dem Bild) ist Rechtsanwalt und seit 2008 Mitglied des Ehrenrats, dessen Vorsitzender er neun Jahre lang war; zwischen 2014 und 2017 gehörte er in dieser Funktion dem Beirat an. Von 2017 bis 2023 war er Vorsitzender bzw. stellvertretender Vorsitzender des Aufsichtsrats der HSV Fußball AG.
Björn Frese (rechts) ist Rechtsanwalt und seit 2009 Mitglied des Ehrenrats. U.a. begleitet und überwacht er in dieser Funktion seit über 15 Jahren den juristisch und technisch ordnungsgemäßen Ablauf von Mitgliederversammlungen und Wahlen.