Sportangebote
15.03.22
Majed Sajid: Nichts ist unmöglich
Mit acht Jahren musste Majed Sajid seine Heimat Syrien verlassen und kam nach Deutschland. Mittlerweile spielt der 15-Jährige für den HSV in der Amputiertenfußball-Bundesliga – und hat sich ehrgeizige Ziele gesteckt. In der aktuellen Ausgabe der HSVlive wird er porträtiert.
Majed Sajid hatte zunächst wenig Verständnis für die Entscheidung seiner Eltern. Er war acht Jahre alt, als der Bürgerkrieg in seiner Heimat Syrien zunehmend eskalierte, für seine Eltern war klar: Wir sind hier nicht mehr sicher. Sie fassten den Entschluss, das Land zu verlassen, und flüchteten Ende 2015 gemeinsam mit Majed und seinen neun Geschwistern nach Deutschland. „Ich musste meine Freunde, Teile meiner Familie und mein gewohntes Umfeld verlassen. Als Kind war ich damit nicht einverstanden“, erzählt er knapp sieben Jahre später, „das war sehr schwer.“ Mittlerweile ist Majed 15 Jahre alt, spricht sehr gut Deutsch, hat in Deutschland Freunde gefunden. Für ihn ist nun klar: „Meine Eltern haben damals die richtige Entscheidung getroffen.“
Zu Beginn fiel es Majed nicht leicht, in der neuen Heimat zurechtzukommen: Mit sechs Jahren hatte er sein Bein verloren und damit noch immer zu kämpfen, zusätzlich war er oft krank. Nach einem Jahr in Deutschland ging es ihm besser, er ging nun auch zur Schule. Damals lebte er in Winsen im Landkreis Harburg und stieg in die dritte Klasse einer Grundschule ein. Deutsch lernte er dort relativ schnell, doch einfach blieb es nicht: „Viele Jungs haben sich über mich lustig gemacht, weil ich nur ein Bein habe“, erinnert sich Majed. Er fand jedoch ein Ventil: Den Fußball. „Ich habe gesehen, dass viele Kinder auf dem Schulhof gespielt haben – dann habe ich einfach mitgemacht.“
Auf dem Schulhof fand Majed neue Freunde – und die Erkenntnis: „Fußball ist etwas Besonderes, das ist mein Sport. Das hat für mich eine Lücke geschlossen.“ In Syrien hatte er zwar auch schon auf der Straße gespielt, bis er sein Bein verloren hatte, in einem Verein war er jedoch nie zuvor gewesen – das wollte Majed nun ändern. Er probierte einige Teams aus und bekam dabei Unterstützung von Sonja Wilhelm, die von seiner Geschichte hörte. „Sie arbeitete an der gleichen Grundschule, auf der ich damals war und hat mir extrem geholfen“, sagt Majed. Über Umwege stellte sie einen Kontakt zu Christian Heintz her, der mit dem gemeinnützigen Verein „Anpfiff ins Leben“ den Amputiertenfußball, bei dem Feldspieler beinamputiert sind und auf Krücken spielen, in Deutschland bekannter machen will. Und Majed merkte sofort: Das passt.
2020 absolvierte er sein erstes Training bei den Sportfreunden Braunschweig und war sofort begeistert: „Alle haben mich super aufgenommen und haben mit großer Freude gespielt“, erzählt der 15-Jährige. „Das Training war sehr professionell und hat einfach Spaß gemacht.“ Es blieb jedoch zunächst bei dieser einen Einheit: Nach einem Haushaltsunfall verletzte sich Majed an den Sehnen in der Hand, kurz darauf konnte das Training pandemiebedingt vorerst nicht stattfinden.
In der Zwischenzeit verstärkte der Hamburger SV sein Engagement im Amputiertenfußball, seit Juni 2021 finden regelmäßige Einheiten auf der Paul Hauenschild Sportanlage in Norderstedt statt. Majed, der mit seiner Familie mittlerweile in der Nähe von Seevetal lebte, trainierte fortan beim HSV - und erlebte eine aufregende Zeit seiner Sportart hautnah mit: Im vergangenen Jahr feierte die Amputiertenfußball-Bundesliga ihre Premiere, die Hamburger traten zusammen mit den Sportfreunden Braunschweig und Tennis Borussia Berlin als Spielgemeinschaft (SG) Nord-Ost an. An drei Spieltagen trafen die SG, Fortuna Düsseldorf sowie Anpfiff Hoffenheim jeweils zweimal aufeinander – zu Beginn musste sich das neu zusammengestellte Team jedoch noch finden.
Gegen die Fortuna gab es im September zunächst ein 0:7, gegen Hoffenheim unterlag die SG 0:3. „Das Zusammenspiel hat zunächst nicht so gut geklappt“, sagt Majed, „wir sind aber immer besser geworden“. Und das zeigte sich direkt bei der zweiten Partie gegen Hoffenheim, die noch am selben Wochenende ausgetragen wurde: Am Ende stand mit dem 3:3 der erste Punkte für die SG, dreifacher Torschütze: Majed Sajid. „Mein erstes Tor zu schießen, war ein sehr besonderes Gefühl“, sagt der 15-Jährige, der aber auch weiß: „Meine Teamkollegen haben mir sehr geholfen und meine Tore super vorbereitet.“
Einen Monat später standen die nächsten Spiele an und es lief immer besser: Gegen Fortuna Düsseldorf holte die SG Nord-Ost ihren ersten Sieg in der Bundesliga, Torschütze zum 2:1-Endstand: Majed Sajid. Dazu gab es für sein Team an diesem Wochenende zwei Unentschieden, die einzige Niederlage musste die Mannschaft gegen Hoffenheim einstecken. „Keiner hatte damit gerechnet, dass wir solch einen Sprung machen. Wir haben trotz der hohen Niederlagen am ersten Spieltag an uns geglaubt und weiter trainiert.“ Nach dem dritten und letzten Spiel-Wochenende Ende Oktober blieb die SG zwar auf dem dritten Platz, hatte am Ende mit zehn Punkten aber nur einen Zähler Rückstand auf die zweitplatzierten Düsseldorfer. Trainer Friedrich Stender stellt fest: „Wir haben viele junge Spieler im Kader und noch viel Potenzial für die Zukunft.“
Das gilt auch für Majed, der noch große Ziele hat: „Ich hoffe, dass wir in Zukunft Deutscher Meister werden. Persönlich wünsche ich mir, viele weitere Tore zu schießen.“ Dazu möchte er die deutsche Staatsbürgerschaft bekommen, die ersten Schritte sind getan. Natürlich ist dann auch die Nationalmannschaft ein Thema, für seinen Trainer ist klar: „Er wird das schaffen.“ Momentan geht Majed noch zur Realschule und besucht dort die achte Klasse. „Ich möchte einen guten Abschluss machen und dann entweder auf das Gymnasium gehen oder eine Ausbildung machen“, sagt der 15-Jährige. Zeit, seine sportlichen Ziele zu erreichen, hat er noch genug. Eines ist für ihn sicher: „Nichts ist unmöglich.“