
Spitzensport
01.03.22
Zwischen College-Meisterschaft und zweiter Heimat
Im vergangenen Jahr ging HSV-Spielerin Markella Koskeridou für ein Auslandssemester in die USA und holte mit den UNCW Seahwaks die regionale Meisterschaft. Nun ist die 21-Jährige wieder zurück in Hamburg – und will mit den HSV-Frauen Erfolge feiern.
Der Ball zappelte endlich im Netz. 90 Minuten lang hatten sich die UNCW Seahawks und das Team der Towson University ein enges Duell geliefert, doch es wollte einfach kein Tor fallen. Das Finale der Colonial Athletic Association, eine regionale Meisterschaft für College-Teams der Ostküste der USA, musste in die Verlängerung. Und Verlängerung hieß in diesem Fall: Golden Goal. Nur vier Minuten war diese alt, da war das Spiel vorbei: Die Seahawks hatten zum 1:0 getroffen und sich die Meisterschaft gesichert, auf dem Rasen bildete sich eine riesige Jubeltraube. Mittendrin: Markella Koskeridou.
„Das war ein sehr emotionaler Moment“, erinnert sich die 21-Jährige, die im Laufe der zweiten Halbzeit eingewechselt worden war und ihren Teil dazu beigetragen hatte, dass die Seahawks ihren ersten Titel überhaupt gewinnen konnten. „Es war ein besonderes Gefühl, dem Team dabei helfen zu können, sein Ziel zu erreichen,“ sagt Koskeridou, hinter der eine kräftezehrende Halbserie liegt: Im August kam sie in Wilmington (North Carolina) an und stieg direkt mit dem Team ein, teilweise standen zwei Spiele pro Woche an. „Das war eine Intensität, die ich aus Deutschland nicht kannte“, sagt die HSV-Spielerin, die für ein Semester im Rahmen eines Auslandssemesters in den USA weilte.
An der Medical School Hamburg (MSH) studiert die Mittelfeldspielerin Sportwissenschaften, ein Auslandsaufenthalt ist im Curriculum nicht unbedingt vorgesehen. Sie informierte sich über die Möglichkeiten eines College-Semesters – und landete schließlich als erste Studentin aus ihrem Fachbereich der MSH an der University of North Carolina Wilmington. Dass Koskeridou dort auch Fußball spielen würde, war nicht von Beginn an klar - sie zeigte Eigeninitiative und schrieb der Co-Trainerin der Seahawks eine Mail, in der sie sich kurz vorstellte. Nachdem sie auf Nachfrage einige Spielszenen von sich per Video einreichte, kam die Antwort: Sie würde Teil des Teams werden.

Die Integration der gebürtigen Griechin, die erst mit zwölf Jahren nach Deutschland gekommen war und hier Deutsch gelernt hatte, fiel ihr leicht: „Alle Spielerinnen haben mich super aufgenommen – auch wenn für alle klar war, dass ich nur ein halbes Jahr dort spielen würde“, erzählt die Wahl-Hamburgerin. Während der Arbeit auf dem Platz zeigten sich jedoch schnell die Unterschiede zwischen deutschem und US-amerikanischem Fußball: Während Koskeridou es von ihren Spielen mit dem HSV gewohnt war, spielerische Lösungen zu finden, lief es in ihrem neuen Team recht simpel: Langer Ball auf die Stürmerin, diese hält den Ball, bis der Rest des Teams nachrückt – typisches Kick and Rush.
„Das Verständnis für Taktik ist dort nicht so ausgeprägt wie in Deutschland“, sagt Koskeridou, „auch technisch konnte ich gut mithalten.“ Besonders im athletischen Bereich konnte sie jedoch große Fortschritte machen: In der Regel trainierte das Team sechsmal pro Woche auf dem Platz, dazu zweimal im Kraftraum. „Anfangs war es schwer, mich an diese Umstellung zu gewöhnen“, sagt die Studentin, die mit den HSV-Frauen in der Regel vier Einheiten pro Woche absolviert. „Ich bin aber davon überzeugt, dass mir die verstärkte Physis beim HSV weiterhelfen wird.“
Auch außerhalb des Platzes hat die Mittelfeldspielerin viele Eindrücke mitgenommen: „Ich habe wirklich sehr viel verschiedenes Essen probiert“, erzählt Koskeridou lächelnd, die Kalorien konnte sie direkt wieder verbrennen: „Die Uni hatte ein riesiges Fitnessstudio mit vier Basketballfeldern, einigen Squashfeldern und einem Pool“, berichtet die 21-Jährige. „Da ich generell sehr sportbegeistert bin, war ich dort oft aktiv.“ Ihre Vorlesungen konnte die Studentin gut mit den Trainingseinheiten abstimmen, zum Lernen ging es dann öfters an den Strand. Mit dem Gewinn der Meisterschaft konnte sie ihr Auslandssemester krönen – und blickt nun, wieder in Hamburg angekommen, mit großer Freude zurück.

„Meine Erwartungen wurden übertroffen“, lässt Koskeridou ihre Zeit in den USA Revue passieren, eine Rückkehr will sie nicht ausschließen: „Ich kann mir sogar vorstellen, dort meinen Master zu machen.“ Leicht fallen würde ihr dies nicht, denn in Hamburg hat die Griechin ihre zweite Heimat gefunden. „Der HSV bedeutet mir sehr viel. Ich habe als Kind meine Freunde in Griechenland zurückgelassen und beim HSV eine neue Familie gefunden.“ Bevor sie an die Elbe gekommen war, hatte sie auch schon Fußball gespielt, jedoch nicht im Verein – zu mangelhaft seien die Strukturen im griechischen Frauenfußball, erzählt Koskeridou. „In Hamburg konnte ich endlich meine Leidenschaft ausüben.“
Seit 2012 ist sie mittlerweile im Verein und gehört damit mit Lela Naward und Victoria Schulz zu den dienstältesten Spielerinnen im Kader, seit der D-Jugend hat Koskeridou alle Teams der Rothosen durchlaufen. „Der HSV hat mir sehr viel gegeben, das kann ich schwer in Worte fassen“, sagt die Mittelfeldspielerin, die auch als Trainerin im Verein aktiv ist – und das aus einem simplen Grund: „Der HSV hat mich immer unterstützt. Ich möchte etwas zurückgeben.“ Momentan leitet sie die U15-Juniorinnen der Hamburgerinnen an, die B-Lizenz ist in Arbeit. „Es macht riesigen Spaß, die Entwicklung der Spielerinnen zu sehen – als Sportlerin und auch als Mensch.“ Auch der Weg von Markella Koskeridou ist noch lange nicht zu Ende, ihr kurzfristiges Ziel ist klar: „Mit den B-Juniorinnen sind wir damals in die Bundesliga aufgestiegen – jetzt will ich mit den HSV-Frauen einen weiteren Aufstieg erleben.“